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Aufbau der Demokratie an der Saar

Am 13. Dezember wurde durch Verordnung des Oberkommandierenden der französischen Truppen in Deutschland, General Pierre Koenig, die Zulassung politischer Parteien in der französischen Besatzungszone ermöglicht. Ausgenommen waren Parteien und Gewerkschaften mit antidemokratischem und nationalsozialistischem Charakter. Am 15. September 1946 fanden die ersten freien Wahlen der Gemeinderäte statt. Die ,,Christliche Volkspartei (CVP)“ konnte mit 52,3% das Erbe des Zentrums antreten. Gegründet wurde die CVP von Johannes Hoffmann, nach seiner Rückkehr aus dem südamerikanischen Exil. Die ,,Sozialdemokratische Partei des Saarlandes (SPS)“ erreichte unter Führung des Hitlergegners Richard Kirn 25,2% der Stimmen. Die SPS hatte sich 1947 von der SPD der Westzone organisatorisch getrennt. Die Kommunisten konnten mit 9,1% der Stimmen nicht mehr an ihre Vorkriegserfolge anknüpfen.

Der Zonenbefehlshaber setzte am 8. Oktober 1946 eine ,,Vorläufige Verwaltungskommission für das Saarland (Commission Provisoire d’Administration du Territoire de la Sarre) an die Stelle des "Regierungspräsidiums Saar". An der Spitze der sieben Mitglieder zählenden Kommission stand der Direktor für Justiz, Erwin Müller. Er wurde im Februar 1947 von Militärgouverneur Grandval im Auftrag des französischen Außenministers Bidault aufgefordert, eine Verfassungskommission einzusetzen. Dies erfolgte am 23. Mai 1947 durch die Ernennung von 20 Kommissionsmitgliedern. Sie kamen aus allen Parteien. Mitglieder der überparteilichen Anschlussbewegung an Frankreich  - MRS – wurden von den entsendenden Parteien (CVP, SPS und DPS) berücksichtigt. Die Verfassungskommission sollte bis zum 15. September 1947 einen Verfassungsentwurf für das Saarland ausarbeiten, der nicht einem Volksentscheid, sondern Mitgliedern einer Versammlung, die durch geheime, allgemeine Wahlen ermittelt werden sollte, zur Genehmigung vorzulegen war. Den Vorsitz der Kommission erhielt Johannes Hoffmann (CVP), Vizepräsident wurde Richard Kirn (SPS).

Die Arbeitsgrundlage der Kommission bildete ein Entwurf, der auf den bisher erlassenen Verfassungen deutscher Länder basierte. Frankreich hatte jedoch weitergehende Interessen im Saarland. Die Militärregierung legte deshalb der Kommission ein Memorandum vor, das in der Verfassung zu berücksichtigen sei. Die wichtigsten Punkte dieses Memorandums zielten auf den wirtschaftlichen Anschluss des Landes an Frankreich. Das Saarland sollte:

  • wirtschaftlich und währungspolitisch an Frankreich angeschlossen werden

  • sich deshalb zoll- und währungsrechtlich an Frankreich anpassen

  • aus Deutschland ausgegliedert werden und politische Autonomie erhalten

  • die auswärtigen Beziehungen und die Verteidigung Frankreich überlassen

  • einen französischen Hochkommissar mit Verordnungs- und Aufsichtsrecht zur Sicherung des wirtschaftlichen Anschlusses erhalten

Diese Forderungen fanden ihren Ausdruck in der Präambel der Verfassung. In ihrem Kern besagte die Präambel, dass sich die Zukunft des Saarlandes auf den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich begründe. Daraus ergaben sich als ausdrücklich benannte Konsequenzen:

  • die Unabhängigkeit von Deutschland

  • die Wahrnehmung der Landesverteidigung und der auswärtigen Beziehungen durch Frankreich

  • die Anwendung der französischen Zoll- und Währungsgesetze

  • eine einheitliche Rechtsprechung

  • das Verordnungs- und Aufsichtsrecht durch einen französischen Hohen Kommissar

Innerhalb der Parteien gab es zu dieser Präambel jedoch unterschiedliche Auffassungen. In der CVP versuchte beispielsweise Bartholomäus Kossmann den Einfluss Frankreichs abzumildern. Die SPS vertrat die Ansicht, die Verfassung müsse durch eine Volksabstimmung gebilligt werden, was jedoch von Gilbert Grandval kategorisch abgelehnt wurde. Einzelne Mitglieder kündigten an, sich bei der Abstimmung der Stimme zu enthalten.

Bei der Abstimmung in der „Verfassungsgebenden Versammlung“ über die Präambel stimmten dann von den 49 anwesenden Mitgliedern 44 dafür, die beiden KP-Abgeordneten stimmten dagegen, ein DPS-Abgeordneter enthielt sich und zwei Abgeordnete der SPS blieben der Abstimmung fern.

Die Diskussion um den inneren Aufbau des Staates stand unter mehreren Prämissen:

  • ein Scheitern der Demokratie wie in der Weimarer Republik sollte auf jeden Fall verhindert werden

  • bei einer politischen Funktionsunfähigkeit des Parlamentes sollte die Regierung auf jeden Fall weiterarbeiten können

  • die Abschaffung der Demokratie durch Mehrheitsentscheidungen sollte auf jeden Fall ausgeschlossen werden

  • das staatliche System sollte sich durch eine weitgehende Gewaltenteilung mit Institutionen der Gegenkontrolle auszeichnen

Bei der Diskussion um den Einfluss der Kirchen im Staat setzte sich die CVP durch. Eine der zentralen Entscheidungen betraf den Charakter der Volksschule. Die CVP trat hier für die Bekenntnisschule als einzige staatliche Form der Volksschule ein. Eine christliche Gemeinschaftsschule, die von den übrigen Parteien gefordert wurde, lehnte die CVP kategorisch ab.

Hinsichtlich der Wirtschafts- und Sozialordnung kämpfte die SPS für die Sozialisierung der Großindustrie. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen seit der Weimarer Zeit, hatte sich in weiten Kreisen auch außerhalb der Sozialdemokratie die Überzeugung durchgesetzt, die kapitalistische, liberale Wirtschaftsform habe versagt. Die CVP forderte hingegen die Beibehaltung der Privatwirtschaft, mit der Einschränkung, es müsse sich um rechtmäßig erworbenen Besitz handeln und dieser dürfe nicht die Möglichkeit bieten, politischen Missbrauch zu betreiben. Damit begründete die CVP auch ihre Forderung nach Vergesellschaftung des Bergbaus und der eisenschaffenden Industrie.

Die Parteien fanden einen Kompromiss, wonach auf eine allgemeine Sozialisierung verzichtet wurde, das private Eigentum jedoch in den Bereichen Kohle-, Kali- und Erzbergbau, Energiewirtschaft sowie Verkehrs- und Transportwesen verboten wurde.

Am 5. Oktober 1947 fand die Wahl zur ,,Verfassungsgebenden Versammlung“ statt. Ehemalige Mitglieder der NSDAP und anderer NS-Organisationen, die der Entnazifizierung unterzogen wurden, waren vom Wahlrecht ausgeschlossen. Die Information der Bevölkerung erfolgte durch die Presse und in Versammlungen. Die Veröffentlichung des vollständigen Verfassungstextes wurde durch die Militärregierung jedoch untersagt. Der Text war allerdings in den Rathäusern hinterlegt, und jeder Bürger konnte ihn sich dort besorgen. Gewählt wurden allerdings nur Parteien, und damit war eine direkte Abstimmung über die Verfassung nicht möglich.

Die „Verfassungsgebende Versammlung“ trat am 14. Oktober 1947 zusammen. Nach einer erneuten Beratung durch einen von der Versammlung eingesetzten Verfassungsausschuss wurde der endgültige Text am 6. November dem Plenum vorgelegt.

Am 8. November verabschiedete die "Verfassungsgebende Versammlung“ die Verfassung. Am 17. Dezember wurde sie im Amtsblatt veröffentlicht und trat damit in Kraft.

Präambel zur Verfassung des Saarlandes

vom 15. Dezember 1947

(ABI. S. 1077)

Das Volk an der Saar,

berufen,
nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches sein Gemeinschaftsleben kulturell, politisch, wirtschaftlich und sozial neu zu gestalten,

durchdrungen
von der Erkenntnis, dass sein Bestand und seine Entwicklung durch die organische Einordnung des Saarlandes in den Wirtschaftsbereich der französischen Republik gesichert werden können,

vertrauend
auf ein internationales Statut, das die Grundlage für sein Eigenleben und seinen Wiederaufstieg festlegen wird,


gründet seine Zukunft auf den wirtschaftlichen Anschluss des Saarlandes an ie französische Republik und die Währungs- und Zolleinheit mit ihr, die einschließen:


die politische Unabhängigkeit des Saarlandes vom
Deutschen Reich, die Landesverteidigung und die
Vertretung der saarländischen Interessen im Ausland
durch die französische Republik,

die Anwendung der französischen Zoll- und Währungsgesetze

im Saarland,

die Bestellung eines Vertreters der Regierung der
französischen Republik mit Verordnungsrecht zur
Sicherstellung der Zoll- und Währungseinheit und
einer Aufsichtsbefugnis, um die Beobachtung des
Statuts zu garantieren,

eine Organisation des Justizwesens, die die Einheitlichkeit
der Rechtsprechung im Rahmen des
Statuts gewährleistet.

Der Landtag des Saarlandes, vom Volk frei gewählt, hat daher,

um diesem Willen verpflichtenden Ausdruck zu verleihen
und – nach Überwindung eines Systems,
das die menschliche Persönlichkeit entwürdigte
und versklavte, Freiheit, Menschlichkeit, Recht
und Moral als Grundlagen des neuen Staates zu
verankern, dessen Sendung es ist, Brücke zur
Verständigung der Völker zu bilden
und in Ehrfurcht vor Gott dem Frieden der Welt zu
dienen,
die folgende Verfassung beschlossen: ...

Die Präambel wurde vom Landtag am 6. November 1947 mit 44 Stimmen gegen zwei Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenommen, während über die Verfassung selbst erst am Samstag, dem 8. November, abgestimmt wurde.

Stage 2