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Online-Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2021 - Bericht über das Schicksal eines Patienten der Merziger Heilanstalt in jener Zeit

27.01.2021

- Bericht von Dipl.-Psych. Ralf Schmitt -

Rudolf P. wurde am 7.5.1904 in Saarlouis- Roden geboren.

Seine Familie stammte ursprünglich aus dem Sudetenland. Sie waren tschechische Staatsangehörige. Der Vater arbeitete als Hüttenmeister  auf der Dillinger Hütte,  die Mutter war Hausfrau. Auf der Hütte war auch der Sohn nach Abschluss der Hauptschule als Schlosser beschäftigt

Am 9.2.1936 wurde Rudolf P.  erstmals nach einem Tobsuchtsanfall im Rahmen eines Kino- Besuches von der Polizei ins Dillinger Krankenhaus gebracht. Von dort aus wurde er in die Heilanstalt Merzig verlegt. Die Symptome deuteten damals auf den Ausbruch einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis hin. Er berichtete dem Arzt über Verfolgungsideen, ein generelles Misstrauen, Angst vor Vergiftung und Schmerzen am ganzen Körper, die ihn nicht mehr arbeiten ließen. Die Eltern berichteten, dass ihr Sohn schon einige Monate vorher verändert wirkte. Er hatte auch schon Kontakt zu einem Arzt aufgenommen.

Schon am 11.12.1936 wurde der Beschluss zur Zwangssterilisierung durch das Erbgesundheitsgericht in Saarbrücken für den Patienten erlassen. Nun hatten die Eltern für sich und die beiden Geschwister die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt und wurden eingebürgert. Nur für ihren kranken Sohn taten sie das nicht. Das führte dazu, dass er als tschechischer Staatsbürger nicht unter das deutsche Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses fiel. Somit konnte er auch nicht sterilisiert werden. Er selbst wollte lieber alleine nach Tschechien gehen und dort wohnen, als sich der Sterilisation zu unterziehen. Deshalb legte er auch gegen den Beschluss Einspruch und Beschwerde ein.

In der Anstalt wurden die Symptome mit Medikamenten und Fieber- Provokationen behandelt, sie besserten sich auch. Eine innere Unruhe und Verschrobenheit aber blieb den Ärzten zufolge. Allerdings wurde in der Akte ärztlicherseits auch festgehalten, dass er sich gedanklich sehr mit der Konstruktion neuer Verkehrsmittel beschäftigte, die schneller und sicherer sein sollten. So sprach er über eine mit Elektrizität betriebene Eisenbahn. Und er sprach über Verkehrsmittel, die so schnell sein würden, dass man morgens in Europa frühstücken und in Amerika  zu Abend essen würde.

Auf der Familie lastete dann einiger Druck. Mehrfach wurde der Vater ins örtliche Rathaus einbestellt, um die Sache mit der Sterilisation zu regeln. Anfragen mit dem Ziel, den Sohn nach Hause zu holen, wurden abschlägig beschieden, solange die Sterilisation nicht vollzogen sei.
Auch nach einer Entweichung aus der Anstalt und der Flucht nach Hause änderte sich das nicht. Selbst als der Vater in einem Brief beteuerte, den Sohn versorgen zu können und auch von Frauen fernzuhalten, wurde die Rückführung wegen der fehlenden Sterilisation polizeilich durchgesetzt.

Nach dem Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich wurde die deutsche Staatsbürgerschaft automatisch allen Sudetendeutschen zuerkannt, so dass auch Herr P. nun als Deutscher galt. Der Beschluss des Erbgesundheitsgerichtes kurz wurde danach umgesetzt.

Danach haben die Eltern ihren Sohn nach Hause genommen. Aufgrund der anhaltenden Symptomatik konnten sie ihn dort jedoch nicht adäquat betreuen, und Herr P.  kehrte im Frühjahr 1939 freiwillig in die Anstalt zurück, um dort Hilfe zu suchen.

Einige Zeit später , am 31.8.1939,  wurde er  im Zuge der Evakuierung der Merziger Anstalt

-  wegen ihrer Überbelegung wie damals gesagt wurde - nach Weilmünster in der Nähe von Limburg an der Lahn und Hadamar in Hessen  verlegt.

Der letzte Eintrag in seiner Krankenakte 1941 lautet:

Er arbeitet nicht mehr.

Wurde laut Verfügung in eine andere Anstalt verlegt.

Rudolf P. wurde am 13.03.1941 im Alter von 37 Jahren in Hadamar ermordet.

Bericht als PDF-Datei (187 KB)

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